„An den Strukturen liegt es nicht“

Landkreis Diepholz/Wetschen – Am heutigen Weltfrauentag soll weltweit auf Frauenrechte und die Gleichstellung beider Geschlechter aufmerksam gemacht werden. Das Feuerwehrwesen gilt gemeinhin als eher männerdominiert. Ein Blick auf die reinen Zahlen verstärkt diesen Eindruck: Zum 31. Dezember 2021 waren bundesweit lediglich elf Prozent der Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr weiblich. Auch wenn die Entwicklungen insgesamt positiv sind, finden sich in verantwortlichen Führungspositionen wie der eines Ortsbrandmeisters nur wenige Frauen. Im Landkreis Diepholz gibt es in mehr als 100 Feuerwehren aktuell nicht eine einzige Ortsbrandmeisterin, lediglich zwei Damen sind Stellvertreterinnen. 

Wie passt diese Diskrepanz noch in die heutige Zeit und warum ist das so? Haben es Frauen in der Freiwilligen Feuerwehr generell schwerer, an solche Positionen zu kommen? Nein, meint die Frauensprecherin der Kreisfeuerwehr Diepholz, Tanja Rempe. Auch Frauen könnten ohne Weiteres Ortsbrandmeisterin werden. Warum sie es nicht sind, erklärt die 49-Jährige aus Wetschen im Interview mit der Mediengruppe Kreiszeitung. Das Gespräch führte Jan Könemann.

Frau Rempe, warum ist die Diskrepanz zwischen Männern und Frauen in Sachen Führungspositionen in der Freiwilligen Feuerwehr noch so groß?

Tanja Rempe: Nicht nur die Ortsbrandmeister oder Stellvertreter sind wichtig. Es gibt ja auch noch andere Positionen: Geschäftsführerin im Kreisfeuerwehrverband, Zugführerin, Kreisausbilderin. Diese Ämter und noch weitere sind alle von Frauen besetzt. Es stimmt schon, es sind nicht viele im Vergleich zu den Männern. Aber zum Beispiel für Frauen, die Kinder haben, ist es zeitlich einfach schwierig. 

Ist dieses Männer-Frauen-Gefälle Feuerwehr-intern überhaupt ein Thema?

Ja, wir sprechen da natürlich auch drüber. Aber es hat sich nun mal so ergeben, wie es heute ist. Wir hatten auch schon einmal eine Ortsbrandmeisterin mit Annette Brümmer in Uenzen. Die hat das auch super gemacht, musste dann aber aus zeitlichen Gründen aufhören. Aber bei uns im Landkreis Diepholz läuft es wirklich gut mit den Frauen in der Feuerwehr. Es ist definitiv nicht so, dass Frauen als Ortsbrandmeisterin nicht erwünscht sind. Es ist vielmehr so, dass es sich bisher einfach noch nicht häufiger ergeben hat. 

Ist das Interesse der Frauen an dieser Position momentan noch nicht groß genug? Oder woran könnte das liegen?

Frauen, die vielleicht mal so weit wären, haben dann oft Kinder, sodass es zeitlich einfach nicht machbar ist. Und die Frauen, die wirklich Zeit haben und sich engagieren wollen, sind vielleicht auch schon in anderen Positionen im Verband oder bei der Kreisjugendfeuerwehr tätig. Gerade in den Jugendfeuerwehren befinden sich schon viele Frauen in Führungspositionen.

Also glauben Sie, dass sich viele Feuerwehrfrauen eher für andere Positionen interessieren als für die des Ortsbrandmeisters?

Richtig, genau. Es gibt mit Sicherheit einige Frauen, denen ich dieses Amt zutrauen würde. Aber wie gesagt, es muss halt alles andere auch passen, vor allem privat. Wenn man Kinder hat, dann ist das schwierig. 

Das Feuerwehrwesen ist gemessen an den Mitgliederzahlen aber grundsätzlich eher männerdominiert. Wie passt das aus Ihrer Sicht noch in die heutige Zeit?

Es ist so, wie es ist. Aber es kommen immer mehr Frauen in die Feuerwehr. Das ist nicht nur auf Landesebene so, sondern auch bei uns im Landkreis. Da sieht man, dass die Zahlen wirklich steigen. Da gibt es auch keine Probleme. Wir arbeiten alle super zusammen.

Was muss noch passieren, damit diese Entwicklung am Ende auch in den Führungspositionen, speziell der des Ortsbrandmeisters, sichtbar wird? 

Da kann man nichts erzwingen. Bei uns im Landkreis Diepholz läuft das ja schon sehr gut, abgesehen von der Position des Ortsbrandmeisters. Aber auch hier kenne ich, wie gesagt, genug Frauen, die das Zeug dazu hätten. Es liegt auf jeden Fall nicht an den Strukturen. Jede Frau hätte bei uns die Chance, Ortsbrandmeisterin zu werden, wenn sie es denn möchte – und der bisherige Ortsbrandmeister auch aufhören möchte. Das kommt ja auch noch hinzu.

Ist es also einfach eine Frage der Zeit ist, bis die Position Ortsbrandmeister auch vermehrt von Frauen bekleidet wird?

Das kann sich jeder Zeit ändern, ja. Es ist auch möglich, dass wir im nächsten Jahr mehrere Ortsbrandmeisterinnen oder Stellvertreterinnen haben. Die machen dann vielleicht ein, zwei Perioden. Aber auch danach kann es natürlich wieder so sein, dass es keine gibt. Das kann man nicht vorhersagen. Aktuell wüsste ich niemanden, der sich für ein solches Amt interessiert. Aber ich habe gerade vor kurzem erst mit einer Kameradin gesprochen, die auch schon mal gefragt worden ist. Sie hat dann aber abgesagt, weil ihre Kinder noch klein sind und ihr Mann auch in der Feuerwehr als Gruppenführer aktiv ist. Dann wird es zeitlich halt schwierig. 

Das eigene Privatleben hindert die Frauen also daran, eine solche Position zu übernehmen?

Ja, das ist definitiv so. Da kommen dann eher Positionen in der Kinder- und Jugendfeuerwehr in Frage, wo man das Amt besser mit dem Privatleben verbinden kann. Deswegen sind ja auch mehrere Frauen in der Kinder- und Jugendfeuerwehr engagiert und übernehmen dort Führungspositionen. 

Warum muss es den Bereich „Frauen in der Feuerwehr“ inklusive Ihrer Position als Kreisfrauensprecherin heutzutage noch explizit geben?

Ich habe am Anfang gedacht, ich könnte den Job jetzt langsam mal abschaffen. Ich habe auch gedacht: Warum brauchen wir so etwas überhaupt? Ich kannte das aus der Feuerwehr in Diepholz und der Samtgemeinde Rehden nicht, dass Frauen Probleme haben. Deswegen war ich anfangs auch der Meinung: Das brauchen wir nicht. Als ich dann aber auf Landesebene an einer Sitzung teilgenommen habe, das war schon krass, was die Frauen dort erzählt haben. In einer Feuerwehr waren die Frauen tatsächlich nur für die Bewirtung zuständig. Aktiv durften die da nichts machen. Das wollten die männlichen Kameraden nicht. Da bin ich fast vom Stuhl gefallen. Das ist jetzt knapp 20 Jahre her. Aber auch heute ist es immer mal wieder so, dass hier und da doch noch mal etwas auftaucht, bei dem man dann denkt: Ich muss den Posten schon noch weitermachen. Also wenn es heute wirklich mal Probleme gibt, dann meistens wegen den Lehrgängen. Dass Frauen bestimmte Lehrgänge nicht kriegen. Aber das ist wirklich nur vereinzelnd. Oder halt, dass sie in der Wettkampfgruppe nicht mitmachen dürfen. Das sind dann aber Sachen, da kümmere ich mich immer sofort drum. 

Was sind Ihre Aufgaben als Kreisfrauensprecherin? 

Die Hauptaufgabe ist: Wenn es irgendwo Probleme gibt, kümmere ich mich darum. Wir machen außerdem alle zwei Jahre einen Feuerwehrfrauenworkshop. Auch da kann man sicherlich sagen: Warum machen die das jetzt extra für Frauen? Wir könnten das doch auch für die Männer machen. Aber dadurch bekommen wir halt mit, wenn doch noch irgendwo Probleme sind. Die Hemmschwelle ist bei Frauen einfach weg, wenn sie unter sich sind. Da kann ich dann offene Gespräche führen. 

Würden Sie sich persönlich wünschen, dass in den kommenden zehn bis 15 Jahren mehr Frauen an der Spitze der Ortswehren stehen? 

Ich sag es mal so: Wichtig ist, dass wir Frauen uns alle in der Ortsfeuerwehr wohlfühlen. Ob die jetzt von einer Ortsbrandmeisterin geführt wird oder nicht, das macht keinen Unterschied. Für mich wäre es auch absolut okay, wenn es weiterhin nur männliche Ortsbrandmeister gibt. Jeder, der möchte, hat die Chance, Ortsbrandmeister zu werden. Ob es in Zukunft mehr Frauen sind als heute, das kann man nicht sagen.

ZUR PERSON

Tanja Rempe ist seit mehr als 30 Jahren aktives Feuerwehrmitglied. 1993 trat die heute 49-Jährige in die Ortsfeuerwehr Diepholz ein, 1999 dann in Wetschen. Zuvor war Tanja Rempe bereits in der Jugendfeuerwehr aktiv. Heute ist sie nicht nur aktives Mitglied der Ortsfeuerwehr Wetschen, sondern auch Frauensprecherin bei der Kreisfeuerwehr Diepholz, Gemeindefrauensprecherin sowie Gemeindejugendwartin in Rehden.

Quellenangabe: Diepholzer Kreisblatt vom 08.03.2024, Seite 10

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